Kürzlich bin ich beim Stöbern in der DVD-Sammlung über einen Film gestolpert, von dem ich gar nicht mehr wusste, dass er tatsächlich Teil der Sammlung ist. Ja, ein typischer Frauenfilm, nämlich „runaway bride“ (Die Braut, die sich nicht traut). Ich musste augenblicklich an den Antrag denken, in dem es darum geht, dass es nicht immer nur schöne Zeiten gibt und man vielleicht auch mal die Entscheidung für den Partner bereuen könnte, man es aber noch mehr bereuen würde, wenn man sich nicht zueinander bekennt. Lest selbst, hier ist das Originalzitat:
"Look, I guarantee there'll be tough times. I guarantee that at some time, one or both of us is gonna want to get out of this thing. But I also guarantee that if I don't ask you to be mine, I'll regret it for the rest of my life, because I know, in my heart, you're the only one for me."
Ich frage mich gerade, ob sich jede/jeder über diesen Antrag gefreut hätte.
Wenn jemand im Alter von 30 Jahren heiratet und man davon ausgeht, dass diese Person 80 Jahre alt wird, folgt daraus, dass diese Person für die nächsten 50 Jahre mit ein und derselben Person verbunden ist. Woher will eine dreißigjährige Person wissen, ob der aktuell passende Partner in fünf oder zehn Jahren immer noch zu einem passt?
Ist es daher nicht eigentlich unglaublich naiv, sich auf „lebenslänglich“ einzulassen? Sollte man vielleicht besser auf das Modell des „Lebensabschnittsgefährten“ zurückgreifen, mit dem man eine durchaus ernsthafte und langjährige, aber niemals endgültige und verbindliche Beziehung führt? Für mich schließt das Wort die Ehe (aus meiner Sicht der höchste Status eine Beziehung) aus, denn diese ist auf „für immer“ ausgelegt, nicht für einen bestimmten Zeitraum, denn das versteckt sich letztlich im Lebensabschnitt.
Mir ist dieses Lebensmodell zu einfach. Diese Unverbindlichkeit, die ein Lebensabschnittsgefährte bietet, lässt den Freiraum, dann, wenn es mal wieder unbequem ist, einfach hinzuschmeißen. Meistens hat man keine gemeinsame Wohnung, die nach einer Trennung aufgelöst werden muss, sondern kann einfach einen Schluss-Strich ziehen und weiterleben, als hätte es den anderen nie gegeben.
Ich habe den Eindruck, dass unsere Wegwerfmentalität auch schon in Beziehungen Einzug gefunden hat. Oftmals wäre es billiger, sich einen neuen Drucker zu kaufen, statt für den alten neue Patronen. Reparaturen sind häufig teurer als ein neues Gerät. Warum sollte ich mich dann um jemanden bemühen und kämpfen, wenn mir Partnerbörsen, Singletreffs und so weiter suggerieren, dass ich jederzeit einen neuen und vielleicht sogar noch besseren Partner haben kann?
Was aber passiert, wenn ich immer nur nach einem noch passenderen Partner suche? Werde ich dann jemals den Partner schlechthin finden? Sind unsere Ansprüche an uns und andere in den vergangen Jahren nicht in Richtung utopisch angestiegen, sodass im Prinzip keiner der Richtige ist, weil man an jedem etwas bemängeln kann? Wo und wie würde jemand enden, der immer nur etwas noch besseres sucht? Ich vermute, dass eine solche Person unter chronischer Unzufriedenheit leidet. Sehr bedauerlich.
Wie kann man von einem anderen erwarten, perfekt zu einem zu passen, wenn man selbst nicht perfekt ist? Das ist doch nun wirklich niemand. Jeder hat Macken und da, wo zwei Individuen aufeinander treffen und beschließen, den Rest oder einen Teil ihres Lebens miteinander zu verbringen, sind Kompromisse unausweichlich. Wir sind so bequem geworden, dass wir gerne und viel konsumieren, aber keine Gegenleistung mehr erbringen wollen. Wird es in einer Beziehung mal ungemütlich, trennen wir uns lieber und lecken ein bisschen die Wunden, um uns kurz darauf in die nächste Beziehung zu stürzen und ein paar Jahre später wieder von vorne anzufangen. Toll, das bringt’s.
Was aber passiert, wenn man durchhält, an der Beziehung arbeitet, um sie kämpft und nach der stürmischeren Zeit wieder die Ruhe und Geborgenheit einer festen Beziehung und einer gemeinsam überstandenen, schweren Zeit genießen kann? Ist das nicht wesentlich mehr wert als der Kick einer neuen Eroberung? Und was ist mit dem Gefühl des sich noch näher Seins? Wer sofort aufgibt wird das sicherlich nie erleben.
Es ist idiotisch zusammenzubleiben, wenn es gar nicht mehr funktioniert, aber sofort gehen oder eine Beziehung im Status der Unverbindlichkeit vor sich hin baumeln zu lassen, weil man sich nicht festlegen will, ist schlicht feige.
Ich kenne durchaus auch Zeiten, in denen ich am liebsten das „Froschkönig-Prinzip“ anwenden würde. Was das ist? Ganz einfach: Den Partner an die Wand schmeißen und darauf hoffen, dass danach ein Prinz aufsteht. Aber mal ganz ehrlich: so ein Prinz ist doch furchtbar langweilig.
Vielleicht bin ich naiv, vielleicht auch unglaublich mutig, dass ich mich auf „lebenslänglich“ eingelassen habe. Aber ich denke, dass man sich miteinander verändert, wenn man gemeinsam an der Beziehung arbeitet. Das böse Erwachen, einer hat sich verändert und passt nicht mehr zum anderen, ist damit weitestgehend ausgeschlossen.
Gerade hier in Deutschland ist eine Scheidung mit einem großen bürokratischen und finanziellen Aufwand verbunden. Von heute auf morgen gehen funktioniert da nicht, zumal man sich normalerweise an das Trennungsjahr halten muss, welches einer Scheidung vorweggeht. Wer gerade in dieser Situation steckt, wird es anstrengend, belastend und nervig finden, aber ich denke, dass dieser Aufwand auch abschreckend wirkt, sodass Verheiratete eher versuchen ihre Beziehung wieder lebenswert zu gestalten als die Unverbindlichen. Das heißt natürlich nicht, dass sich Unverheiratete nicht umeinander bemühen, aber die Ebene ist doch eine andere.
Und was ist mit der dreißigjährigen Person, wenn sie wirklich fünfzig Jahre mit dem gleichen Partner ver- und erlebt hat? Ich habe diese fünfzig Jahre noch nicht hinter mir, aber es ist bestimmt wesentlich schöner mit der gleichen Person auf das Erlebte zurückzublicken, als alleine oder mit einem frischen Lebensabschnittsgefährten immer nur auf kleine Teile des Lebens blicken zu können. Die Schatzkiste wertvoller Erinnerungen ist bei den langjährig Verbundenen garantiert voller als bei den Unverbindlichen, die immer nur ein bisschen mit jemandem teilen und deren Beziehungsleben kein großes Ganzes ist, sondern eher den Eindruck vieler kleiner Puzzleteile erweckt.
Man sollte wieder lernen das, was man hat, zu schätzen. Falls gerade jemand darüber nachdenkt, das Handtuch zu werfen, überlege gut, ob das nicht eine vorschnelle Entscheidung ist, die auf Bequemlichkeit basiert, weil es eben auch mal mühsam sein kann, eine Beziehung zu führen und aufrecht zu erhalten.
Ich freue mich darauf, in ein paar Jahrzehnten als Achtzigjährige mit meinem immer noch gleichen Partner auf das zurückzublicken, was wir bis dahin gemeinsam erlebt und gemeistert haben.
Ich finde, es lohnt sich.