Festliche Beleuchtung in Brügge

Freitag, 24. Dezember 2010

Kirche à la Amsterdam und das Zölibat

Während einer katholischen Messe kommt Weihrauch zum Einsatz. Dabei gibt es sparsame Pfarrer und solche, die es richtig gut meinen. Mit einem sehr großzügigen Exemplar hatte ich kürzlich die Ehre…
Nach dem liturgischen Teil drehte der ernstguckende Pfarrer mit einem seiner Assistenten ein paar Runden um den Altar. Sein Assistent trug ein Gefäß, das an einer langen Kette hing und schwang es beim Gehen temperamentvoll hin und her. Aus dem Gefäß stieg dichter Nebel, den eine Nebelmaschine nicht besser hätte machen können. Insgeheim wartete ich auf die Erscheinung des „weißen Negers Wumbaba“. Im Gegensatz zum geruchsneutralen Gewaber der Nebelmaschine stank der Rauch aus dem silbernen Gefäß barbarisch. Klar, ist eben Weihrauch. Es war aber nicht genug, um den Altar zu laufen (einen Stuhl für das Spiel „Reise nach Jerusalem“ konnte ich nicht entdecken), sondern die Runde wurde auf den Bereich zwischen Altar und Zuschauerbänken erweitert. Nun war gesichert, dass wirklich jeder etwas vom Weihrauch abbekam. Dieses Prozedere wurde während der Messe insgesamt drei Mal wiederholt. Der Rauch war so intensiv, dass ich das Gefühl hatte, völlig benebelt zu sein. An einem Wochenende in den Sommerferien in Amsterdam an einem Coffeeshop vorbeilaufen ist dagegen harmlos…

Der Pfarrer und seine Assistenten müssen den Rauch sehr regelmäßig, bestimmt mehrmals pro Woche ertragen. Ob das nach längerer Zeit hirnerweichende Nebenwirkungen hat?
Ich finde es komisch, dass immer wieder vor dem Konsum von Haschisch gewarnt, aber Weihrauch anscheinend als völlig unbedenklich eingestuft wird. Ich fand diesen Geruch schlimmer als den der Wolken, die in Amsterdam aus den Coffeeshops auf die Straße drängen.
Angenommen, Weihrauch hätte die gleiche Wirkung wie Haschisch, wären dann Pfarrer „dauer-stoned“? Wer permanent benebelt durchs Leben schwebt, nimmt die schönen weltlichen Dinge nicht mehr bewusst war und die Libido macht sich aus dem Staub. Darin könnte eine Erklärung für die Einhaltbarkeit des Zölibats liegen, denn wenn die Libido erstmal weggeräuchert ist, schert es einen nicht, ob man(n) nun darf oder nicht, man(n) hat gar nicht mehr das Bedürfnis. Wer sich bisher für die Abschaffung des Zölibats stark gemacht hat kann nun beruhigt sein, schließlich wissen wir jetzt, dass die Jungs so benebelt durch die Gegend laufen, dass sie gar nicht mehr wahrnehmen, was ihnen entgeht. Arme Kerlchen. Andererseits könnte der Besuch einer Messe eine Alternative für all jene sein, die sich eine Fahrt nach Amsterdam nicht leisten können, aber unter Entzugserscheinungen leiden. Ist nur so ein Gedanke.

Es ist Samstagabend, Du hast Lust auszugehen, aber kein Geld und keine Idee?

Dann gehe in eine Abendmesse der katholischen Kirche. Ja, das ist ernst gemeint.
Kürzlich war ich (nicht katholisch und dieser Kirche gegenüber kritisch eingestellt) an einem Samstagabend in einer Messe und sie kam mir wie eine fulminante Showveranstaltung vor.

Zu den Klängen der Kirchenorgel zog der Pfarrer mit seinen Assistenten ein. Alle trugen weiße Gewänder mit goldenen Stickereien, echt üppig. Ein Assistent trug eine ungefähr einen Meter hohe Kerze und hatte Mühe, diese gerade zu halten. Wenn ich eine derart große Kerze vor mir her tragen müsste, würde ich sie in der Mitte umklammern und noch irgendwie abstützen. Dieser arme Kerl musste sie auf einem Kerzenhalter balancieren (das Wort „Kerzenständer“ fand ich hier unpassend). Konzentriert lief er zum Altar um dort endlich die Kerze abstellen zu können. Das war richtig spannend. Ich fragte mich insgeheim, wie weit Kerzenwachs spritzt, wenn es aus einer Höhe von 2 Metern aus einer Kerze auf den Boden fällt.
Ein anderer Assistent hatte einen großen silbernen Weinkelch in den Händen und wieder ein anderer trug ein Gefäß, das an einer langen Kette kurz vor dem Boden baumelte. Wenn er es ein wenig tiefer gehalten hätte, wäre es, wahrscheinlich laut scheppernd, zu Boden gegangen. Noch ein Assistent hielt eine Schale, die er auf dem Altar abstellte. Ein weiterer Assistent schlug die Bibel auf. Der Pfarrer selbst musste gar nicht so viel machen. Eigentlich lief er nur den Assistenten voraus und machte ein ernstes Gesicht.
Nach dem theatralischen Einzug kam doch noch der Pfarrer zum Zug und durfte etwas erzählen. Irgendwann war er fertig und der bibelaufschlagende Assistent war wieder an der Reihe.
Damit niemand die grandiose Show verschläft, gab es auch Mitmachaktionen. Der Pfarrer sagte etwas und die Zuhörer antworteten. Gegen eingeschlafene Füße wurde von Zeit zu Zeit zur Bewegung aufgerufen. Mal sollten alle aufstehen, dann knien und zur Erholung durften alle wieder sitzen. Gut durchdacht und gesund. Ob die Krankenkassen demnächst den Besuch einer Messe empfehlen oder finanziell unterstützen werden? Schließlich fordern sie immer wieder dazu auf, sich mehr zu bewegen.
Ich fühlte mich während der Veranstaltung gut unterhalten, war aber auch froh, als es vorbei war. Jede Woche brauche ich das Spektakel beim besten Willen nicht, aber für Unentschlossene könnte es ab und zu eine Möglichkeit sein.